Ausländische Fachkräfte einstellen ohne Anerkennungsprozess?

A portrait of the author of the post, Bijan Sadighi, Managing Director of heidi

Bijan Sadighi (Geschäftsführer von heidi)
28. Juni 2024

A skilled foreign technician installing an electrical device

Der Hintergrund

Durch den Fachkräftemangel wird es für Unternehmen immer schwieriger, qualifizierte Handwerker und technische Fachkräfte in Deutschland einzustellen. Der bevorstehende demographische Wandel mit dem Renteneintritt der Baby-Boomer wird die Situation am Arbeitsmarkt über die nächsten Jahre weiter verschlimmern. Insbesondere in technischen und handwerklichen Berufen wie Elektroniker wird der Fachkräftemangel immer akuter und richtet bereits großen wirtschaftlichen Schaden für Industrieunternehmen und Handwerksbetriebe an (siehe IW-Kurzbericht Mai 2024). Daher rückt die Einstellung qualifizierter ausländischer Fachkräfte vermehrt in den Mittelpunkt. Diese Entwicklung hat auch der Gesetzgeber wahrgenommen und ist bemüht effizientere Wege zur Gewinnung ausländischer Fachkräfte zu schaffen.

Reform des FEG

Eine dieser neuen Möglichkeit bietet die Reform des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes (FEG) in Form der Ausweitung der „Berufserfahrenen-Regelung“ auf alle nicht-reglementierten Berufe. Dies schließt die meisten technischen Ausbildungsberufe ein, beispielsweise Elektroniker, Mechatroniker und Anlagenmechaniker SHK (eine Liste aller reglementierten Berufe finden Sie hier). Unter bestimmten Voraussetzungen ermöglicht diese Regelung die Einstellung ausländischer Fachkräfte, ohne dass deren Ausbildung in Deutschland anerkannt werden muss. Diese zum 1. März 2024 in Kraft getretene neue Option, geregelt durch §19c Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) in Verbindung mit §6 der Beschäftigungsverordnung (BeschV), bietet für Arbeitgeber eine große Chance internationale Talente zu gewinnen.

Wie funktioniert die Berufserfahrenen-Regelung im Detail?

Die Regelung ermöglicht es qualifizierten Arbeitskräften aus Drittstaaten (Nicht-EU/EWR-Länder), auf Basis ihres im Ausland erworbenen Abschlusses und ihrer Berufserfahrung in Deutschland eine qualifizierte Beschäftigung aufzunehmen. Im Gegensatz zu anderen Einreisewegen ist eine formale Anerkennung des ausländischen Abschlusses in Deutschland nicht mehr erforderlich. Diese Vereinfachung des Prozesses macht die Berufserfahrenen-Regelung attraktiv für Unternehmen.
Ebenfalls ist eine Kombination der Berufserfahrenen-Regelung mit dem beschleunigten Fachkräfteverfahren möglich (schauen Sie sich hierzu gerne unseren Beitrag an).

Voraussetzungen für die Einreise

Um diesen Einreiseweg zu nutzen, müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:

  1. Arbeitsvertrag: Der Fachkraft muss ein konkretes Arbeitsplatzangebot oder ein Arbeitsvertrag mit einem deutschen Arbeitgeber vorliegen.
  2. Ausländischer Abschluss: Die Fachkraft muss über einen mindestens zweijährigen Berufs- oder Hochschulabschluss verfügen, der im Land, in dem er erworben wurde, staatlich anerkannt sein.
  3. Berufserfahrung: Die Fachkraft muss in den letzten fünf Jahren mindestens zwei Jahre einschlägige Berufserfahrung haben. Das heißt, die Berufserfahrung muss in inhaltlichem Zusammenhang mit der in Deutschland angestrebten Tätigkeit stehen. Wenn Sie beispielsweise einen Elektroniker aus dem Ausland einstellen möchten, muss dieser mindestens zwei Jahre als Elektroniker oder in einer vergleichbaren Rolle im Ausland gearbeitet haben. Es ist jedoch nicht zwingend erforderlich, dass die Ausbildung der Fachkraft auch eine Elektronik-Ausbildung war, diese könnte z.B. auch eine Ausbildung als KFZ-Mechaniker, Anlagenmechaniker SHK usw. sein.
  4. Mindestgehalt: Das in Deutschland zu zahlende Gehalt muss mindestens 45 Prozent der jährlichen Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung betragen (Stand 2024: 40.770 € brutto jährlich). Für tarifgebundene Unternehmen gilt diese Gehaltsgrenze nicht, sondern stattdessen die entsprechenden tarifvertraglichen Regelungen.
  5. Sprachkenntnisse: Über die erforderlichen Deutschkenntnisse entscheidet der Arbeitgeber.

Der Einreiseprozess im Detail

Der Einreiseprozess bis zur Arbeitsaufnahme lässt sich im Wesentlichen auf folgende Schritte herunterbrechen:

  1. Abschluss des Arbeitsvertrags: Der erste Schritt ist der Abschluss des Arbeitsvertrags (unter Vorbehalt) zwischen Unternehmen und ausländischer Fachkraft.
  2. ZAB-Auskunft: Der Abschluss der Fachkraft wird durch die Zentralstelle für ausländische Bildungswesen (ZAB) geprüft. Dieser Prozess kann seit Juni 2024 vollständig digital durchgeführt werden (siehe hier). Im Falle einer Hochschulausbildung erfolgt dies durch die „Zeugnisbewertung“, bei nicht hochschulischen Berufsabschlüssen durch die „Digitale Auskunft zur Berufsqualifikation“. Dabei wird geprüft, ob die Ausbildung mindestens zwei Jahre in Vollzeit absolviert wurde und im Herkunftsstaat staatlich anerkannt ist.
  3. BA-Erklärung: Nach Abschluss des Arbeitsvertrags füllt der Arbeitgeber die „Erklärung zum Beschäftigungsverhältnis“ aus, die die Beschäftigungsbedingungen (insbesondere Arbeitsentgelt und Arbeitszeit) dokumentiert. Das Dokument finden Sie auf der Website der Arbeitsagentur.
  4. Visumsantrag: Die Fachkraft beantragt ein Visum bei der deutschen Auslandsvertretung im Herkunftsland. Hierfür sind der Arbeitsvertrag, Nachweise über die Ausbildung und Berufserfahrung sowie weitere erforderliche Dokumente einzureichen.
  5. Einreise: Nach Erhalt des Einreisevisums zur Ausübung einer qualifizierten Beschäftigung kann die Fachkraft nach Deutschland einreisen und die Arbeit aufnehmen.
  6. Aufenthaltserlaubnis: Die Fachkraft muss vor Ablaufdatum des Einreisevisums bei der örtlichen Ausländerbehörde einen Aufenthaltstitel für die qualifizierte Beschäftigung beantragen.

Zusammenfassender Überblick

Die Berufserfahrenen-Regelung bietet deutschen Unternehmen eine große Chance ihren Fachkräftemangel durch die Gewinnung internationaler Talente zu lindern. Insbesondere kann die Time-to-hire durch den Wegfall des Anerkennungsprozesses reduziert werden. Unternehmen gewinnen zusätzlich an größerer Flexibilität zur Einstellung von Fachkräften mit unterschiedlichen Bildungs- und Berufshintergründen.

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Häufig gestellte Fragen

01

Was ist die Berufserfahrenen-Regelung und für welche Berufe gilt sie?

Die Berufserfahrenen-Regelung ist Teil des reformierten Fachkräfteeinwanderungsgesetzes und ermöglicht die Einstellung ausländischer Fachkräfte in nicht-reglementierten Berufen ohne Anerkennung ihrer Ausbildung in Deutschland. Sie gilt für die meisten technischen Ausbildungsberufe wie Elektroniker, Mechatroniker und Anlagenmechaniker SHK.

02

Welche Voraussetzungen müssen ausländische Fachkräfte für die Einreise nach der Berufserfahrenen-Regelung erfüllen?

Ausländische Fachkräfte benötigen ein konkretes Arbeitsplatzangebot, einen mindestens zweijährigen staatlich anerkannten Berufs- oder Hochschulabschluss, mindestens zwei Jahre einschlägige Berufserfahrung in den letzten fünf Jahren und ein Mindestgehalt von 40.770 € brutto jährlich (Stand 2024).

03

Wie läuft der Einreiseprozess für eine ausländische Fachkraft nach der Berufserfahrenen-Regelung ab?

Der Prozess umfasst den Abschluss eines Arbeitsvertrags, die Prüfung des Abschlusses durch die ZAB, das Ausfüllen der BA-Erklärung durch den Arbeitgeber, die Beantragung eines Visums, die Einreise nach Deutschland und schließlich die Beantragung einer Aufenthaltserlaubnis.

04

Welche Vorteile bietet die Berufserfahrenen-Regelung für Unternehmen?

Die Regelung vereinfacht die Einstellung ausländischer Fachkräfte durch den Wegfall des Anerkennungsprozesses, was die Einstellungszeit verkürzt. Zudem erhalten Unternehmen mehr Flexibilität bei der Auswahl von Fachkräften mit unterschiedlichen Bildungs- und Berufshintergründen.

05

Sind Deutschkenntnisse für die Einreise nach der Berufserfahrenen-Regelung erforderlich?

Die erforderlichen Deutschkenntnisse werden vom Arbeitgeber festgelegt. Es gibt keine gesetzlich vorgeschriebenen Sprachanforderungen im Rahmen dieser Regelung.